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Redaktion: Heinz Schmitz


Wo Computer menschliche Gefühle beachten

Flugsicherung
Durch die Kooperation mit der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH konnte das Kompetenzzentrum „Virtual Humans“ auch auf Fluglotsen zugreifen und erhielt so reale Messdaten. (Quelle: DFS Deutsche Flugsicherung GmbH)

Jeder, der in ein Flugzeug steigt, möchte sicher ans Ziel kommen. Neben den Piloten sind dafür etwa 2000 Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung verantwortlich. Sie koordinieren etwa drei Millionen Flugbewegungen pro Jahr und sorgen dafür, dass Flugzeuge sicher geführt werden und sich nicht zu nahe kommen. Da das Flugaufkommen immer weiter steigt, erhöht sich auch die Belastung der Fluglotsen, die sich ohnehin schon keinen Fehler leisten dürfen. Forschende des Kompetenzzentrums „Virtual Humans“ der Technischen Universität Chemnitz arbeiten deshalb daran, die Arbeit im Bereich der Flugüberwachung noch sicherer zu machen. Im Projekt „MACeLot“ untersuchen sie die kooperative Arbeit von Fluglotsinnen und -lotsen und deren Belastung am Arbeitsplatz. Mit verschiedenen Messinstrumenten wird die emotionale Belastung, also der Stresslevel, abgeschätzt. „Steht beispielsweise ein Fluglotse zu stark unter Stress, soll das Assistenzsystem eine Warnung an den diensthabenden Supervisor senden“, erläutert Projektleiter Prof. Dr. Guido Brunnett, Sprecher des Kompetenzzentrums „Virtual Humans“. Der Supervisor könne sofort entsprechend eingreifen und den Fluglotsen entlasten – beispielweise über eine Unterstützung durch benachbarte Kontrollsektoren.

 

Computer lernen, was Stress ist

Doch wie kann die kognitive und emotionale Belastung durch ein Computersystem zuverlässig erkannt werden? Die Chemnitzer Wissenschaftler gehen dabei interdisziplinär vor: Psychologen erforschen die Arbeitsweise der Fluglotsen. Mit Hilfe einer Blickverfolgungsbrille messen sie deren Pupillengröße und mit einem Armband die Hautleitfähigkeit. Beides sind gute Indikatoren für Stress. Und Informatiker untersuchen die Körperhaltung, den Gesichtsausdruck und die Sprache der Fluglotsen, um daraus emotionale Zustände abzuleiten. „Wir Menschen haben oft schon Schwierigkeiten, die Stimmung unseres Gegenübers richtig einzuschätzen und greifen auf unsere Erfahrung zurück – und so müssen wir auch die Computer entsprechend trainieren“, sagt Brunnett. Damit der Computer eine zuverlässige Einschätzung trifft, müssen in das Programm viele Beispiele an Körperhaltungen, Gesichtsausdrücken oder Audioaufnahmen eingebracht werden, die mit Emotionen in einem Zusammenhang stehen. „Auf Grundlage sämtlicher erfasster Daten wurde ein Modell zur Berechnung der kognitiven und emotionalen Belastung von Fluglotsen abgeleitet und in ein prototypisches Assistenzsystem integriert“, berichtet Brunnett. Dieses Assistenzsystem zeige dem Supervisor die aktuelle Belastungssituation der Fluglotsen an und liefere ihm dadurch Entscheidungshilfen zur Abwendung von Überlastsituationen.

 

In Gefahrensituationen die Übersicht behalten

Aus ihrer Forschung haben die Chemnitzer Wissenschaftler auch Vorschläge für ein neues Design der Arbeitsumgebung erarbeitet. So fand die Doktorandin Linda Pfeiffer auf der Basis von Interviews mit Fluglotsen heraus, welche Darstellung der Elemente auf dem Display im Kontrollzentrum am effektivsten ist. „Ein von uns empfohlenes Interface bietet eine bessere Übersicht in Gefahrensituationen, da es zentrale Informationen hervorhebt“, erläutert Pfeiffer.

 

Solche Untersuchungen und Verbesserungsvorschläge sind auch für den Projektpartner, die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, von großem Interesse. „Die Erfassung des Zustandes des Lotsenteams mittels einer geeigneten Sensorik erschließt völlig neue Möglichkeiten, die Arbeitsbelastung zu steuern und zu begrenzen“, sagt Jörg Buxbaum, Leiter des Forschungsteams Air Traffic Management bei der DFS. Neuerungen in den betrieblichen Lotsenalltag einzuführen, sei allerdings sehr anspruchsvoll, da sie strenge Sicherheitstests durchlaufen müssen und in diesem Fall auch Persönlichkeitsrechte zu betrachten sind. Eine Möglichkeit, von den Forschungsergebnissen bald zu profitieren, gibt es dennoch: „Die entwickelten Methoden könnten wir zunächst in Entwicklungen und Trainings am Simulator einsetzen“, sagt Buxbaum und fügt hinzu: „Wir haben deutliche Hinweise, dass wir dadurch die kognitive und emotionale Belastung besser erheben können als zum Beispiel rein mit der Abfrage der Belastung bei den Lotsen selber.“

 

Siehe auch:

https://www.tu-chemnitz.de/forschung/virtual_humans/

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