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Redaktion: Heinz Schmitz


Reha mit 3D-Technologie und virtueller Realität

Reha mit VR Brille

Mit einer Virtual-Reality-Brille üben die Patienten zum Beispiel das Greifen. (Quelle: Universität Bielefeld)

 

Wenig Zeit in der Physiotherapie, Mangel an Anleitung und oft fehlende Motivation verzögern die Erholung der Patienten und damit die Rückkehr in den Alltag. Das soll „Vecury“ ändern: Dr. Rümeysa Gündüz Can und die Doktoranden Miguel Angel Cienfuegos Tellez und Alessio D’Aquino entwickeln eine Virtual-Reality-Plattform, die auf die individualisierten Bewegungsmöglichkeiten der Patienten abgestimmt ist und auf diese Weise ihre Rehabilitation außerhalb der Physiotherapie unterstützt. Dafür arbeiten die Neurowissenschaftler mit den Medizinern Professor Dr. med. Thomas Vordemvenne und Privatdozent Dr. med. Dirk Wähnert von der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie am Evangelischen Klinikum Bethel zusammen.

 

Individuelles Physioprogramm für jeden Patienten

Rümeysa Gündüz Can und ihre beide Projektmitarbeiter forschen im Arbeitsbereich „Neurokognition und Bewegung – Biomechanik“ unter der Leitung von Professor Dr. Thomas Schack am Center for Cognitive Interaction Technology (CITEC). „Das Bemerkenswerte an Vecury ist, dass das Rehabilitationssystem auf die realen und individuellen Bedürfnisse der Patienten zugeschnitten ist und nicht auf abstrakten Modellen basiert“, erklärt Schack.

 

„Mit unserem System können die Patienten selbstständig Bewegungen trainieren, indem sie die in der Rehabilitationseinrichtung durchgeführten Übungen wiederholen“, sagt Dr. Rümeysa Gündüz Can. „Indem das System das Training dokumentiert, gewinnen Ärzte und Physiotherapeuten einen objektiven Überblick über den Rehabilitationsfortschritt. Auch die Patienten können ihren Genesungsfortschritt kontrollieren.“ Das System stellt sich auf die Nutzer individuell ein. „Zunächst werden die Präferenzen, Erwartungen, Leistungen und die Gesamterfahrung der Patienten identifiziert. Damit ist unser System in der Lage, die Art und Intensität des Trainings auf die individuellen Bedürfnisse abzustimmen und das richtige Maß an Herausforderung für die Patienten zu bieten“, sagt Gündüz Can.

 

Zusammenarbeit mit Kliniken

Behandelt werden sollen zunächst vor allem junge Patienten, die aufgrund von Unfällen schwere Verletzungen erlitten haben und eine umfassende Rehabilitation benötigen, bevor sie wieder ihrem täglichen Leben nachgehen können. „Die Patienten bekommen eine Reihe von Übungen verordnet, die täglich bis zum nächsten Physiotherapiebesuch durchgeführt werden sollen. Im Grunde genommen verbringen die Patienten den Großteil der Zeit mit Übungen, die sie ohne Aufsicht durchführen“, sagt Gündüz Can. „Unsere Plattform soll direkt zu Beginn einer Physiotherapie eingeführt werden, sodass die Patienten direkt mit einem individuellen Programm ohne medizinische Aufsicht starten können.“ Dafür erfassen die Physiotherapeuten den Bewegungsbereich der Patienten und erstellen auf diesen Daten aufbauend einen Trainingsplan.

 

Im vergangenen Jahr entwickelten die Forschenden bereits eine funktionierende Demonstration ihrer Idee, die sie auf Veranstaltungen und Konferenzen in Europa vorstellten. Dafür befragten und testeten sie auch 16 Patienten vom Zentrum für ambulante Rehabilitation in Bielefeld und vom Evangelischen Klinikum Bethel am Beginn und am Ende ihrer Rehabilitation. „Obwohl wir keine streng wissenschaftliche Studie durchgeführt haben, waren die Informationen, die wir aus dem Feedback gezogen haben, für unsere Idee sehr wertvoll“, sagt Gündüz Can. „Nun bereiten wir eine Machbarkeitsstudie mit unserem klinischen Partner in Bethel vor. Die Zusammenarbeit mit Bethel ermöglicht es uns, eng mit den Patienten zusammenzuarbeiten und Erkenntnisse zu gewinnen, wie die technische Entwicklung unserer Plattform aus ärztlicher Sicht am besten angegangen werden kann.“

 

Ziel einer marktfähigen medizinischen Plattform

Zunächst wird das System nur in Kliniken und Krankenhäusern getestet, langfristig soll es aber auch zu Hause angewendet werden können. „Wir sehen definitiv die Möglichkeit einer Heimanwendung, aber wir müssen mit Rechtsexperten die Datensicherheit bewerten“, sagt Gündüz Can. „Außerdem wollen wir so viele Patienten und Physiotherapeuten wie möglich erreichen, um ihre Meinung zu hören und unsere Idee auf der Grundlage ihrer und unserer Vision dynamisch zu gestalten.“

 

In den kommenden eineinhalb Jahren streben die Forschenden eine voll funktionsfähige und marktfähige Version ihrer medizinischen Plattform an. Doch danach soll das Projekt Vecury nicht zu Ende sein, so Gündüz Can: „Wir wollen Vecury als ein Unternehmen für digitale Medizintechnik in Deutschland etablieren und innerhalb der nächsten fünf Jahre weitere europäische Märkte erreichen. Mit Bethel haben wir bereits eine gute Zusammenarbeit geschaffen, die wir unter Einbeziehung verschiedener Interessengruppen wie Krankenkassen und wissenschaftlicher Partner ausbauen wollen.“

 

Der Projektname „Vecury“ steht für „Virtual Reality Platform for the Motor Rehabiliation of Upper-Limb Impairments“ (Virtual-Reality-Plattform für die Bewegungsrehabilitation bei Beeinträchtigungen der oberen Gliedmaßen).

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