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Redaktion: Heinz Schmitz


Handbücher, die mehr wissen

Handbuch vs. Augmented Reality

Das Fraunhofer IPT entwickelt mit seinen Projektpartnern ein Augmented-Reality-System, das die Erstellung und Nutzung von Anleitungen deutlich erleichtern soll. (Quelle: Fraunhofer IPT)

 

Jeder kennt sie: Anleitungen und Handbücher in Form umfangreicher Informationssammlungen, die sich nur wenig an den tatsächlichen Bedürfnissen ihrer Nutzer orientieren. Fehlen Angaben oder gibt es nachträglich Änderungen am Produkt, können Hersteller diese in der einmal gedruckten Gebrauchsanweisung nicht mehr berücksichtigen. Das Aachener Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT entwickelt deshalb nun im Forschungsprojekt »AdaptAR« gemeinsam mit zwölf Partnern ein Augmented- Reality-System, das den hohen Aufwand zur Erstellung technischer Handlungsanweisungen um rund 70 Prozent verringern und Anleitungen nutzerfreundlicher machen soll.

 

Vielen Anwendern sind komplexe Handbücher ein Graus: Umständlich ist es, im täglichen Gebrauch nach passenden Antworten auf konkrete Fragen zu einem Produkt zu suchen. Die wachsende Variantenvielfalt hat außerdem zur Folge, dass Hersteller ihre Produktdokumentationen mit großem Aufwand um immer neue Handlungsanweisungen ergänzen müssen. Dieser Überfluss an Informationen führt schließlich dazu, dass Anwender – gerade bei Investitionsgütern wie Maschinen und technischen Anlagen – häufiger als nötig auf persönliche Hilfe von Experten angewiesen sind. »Im Servicefall müssen unsere Techniker oft weit reisen, um zum Einsatzort zu kommen. Individuell zugeschnittene Anweisungen und Remote-Service- Angebote würden sehr viel Zeit sparen«, spricht sich Pia Gausemeier, beim Projektpartner Miele für strategische Produktionstechnologie zuständig, für das Projekt »AdaptAR« aus.

 

Industrie 4.0 am Arbeitsplatz: Der digitale Zwilling kennt das Produkt

Abhilfe soll ein System schaffen, das das Projektkonsortium auf der Grundlage von Augmented Reality und Datenbanktechnologien entwickelt und erprobt: Dafür wird zu jedem Produkt ein digitaler Zwilling bereitgestellt, der alle zugehörigen Auftrags-, Produkt-, Prozess- und Ressourcendaten in einer lokalen Datenbank zusammenführt. Dieser Zwilling wird während der Nutzung des Produkts mit weiteren Daten aus verbundenen IT-Systemen angereichert. So umfasst das System stets alle wichtigen Informationen zum Produkt und kann dem Anwender die jeweils zu seinem Produkt passenden Handlungsanweisungen anbieten. Ausgestattet mit Smart Glasses oder einem Tablet kann dieser sich nun direkt am Einsatzort Schritt für Schritt zu einer individuellen Lösung seines Problems leiten lassen.

 

Lernen durch Erfahrung – in allen Phasen des Produktlebenszyklus

Die Unternehmen, die sich als Anwender am Projekt beteiligen, testen die Software in verschiedenen Beispielanwendungen entlang des gesamten Produktlebenszyklus – von der Montage eigener Produkte über die Inbetriebnahme und den Betrieb bei internen oder externen Kunden bis hin zur Instandhaltung und sogar zur Wiederaufbereitung.

 

Als Grundlage für dieses System wird eine sogenannte Smart-Service- Plattform mit einer lokalen Datenbank geschaffen, die die Daten für den digitalen Zwilling aufnimmt und verknüpft. Die individuellen Handlungsanweisungen generiert ein Softwaretool, das auf dieser Plattform aufsetzt. Ein weiteres Modul des Systems, das mit aktuellen, kommerziell erhältlichen Smart Devices zusammenarbeitet, visualisiert die Handlungsanweisungen, stellt Anleitungen in verschiedenen Sprachen bereit und steuert die sprachbasierte Interaktion mit dem Nutzer. Das Nutzerfeedback trägt in Verbindung mit einer messtechnisch gestützten Situationserkennung dazu bei, das System während des Betriebs laufend zu verbessern.

 

Digitale Dokumentation und Datenaufbereitung können Kosten senken

Frank Depiereux, Geschäftsführer der Fionec GmbH, erwartet deutliche Verbesserungen für die Informationsbereitstellung an seine Kunden durch die Projektergebnisse: »Wir entwickeln hochgenaue Messsysteme, da entsteht in vielen Kundenprojekten ein Unikat. Es ist sehr aufwändig, die Dokumentationskette jedes Mal neu zusammenzustellen. Und bei einer Weiterentwicklung des Systems oder einem Update unserer Software müssen alle Informationen erneut geprüft und aktualisiert werden.«

 

Und Daniela Dingfelder, operative Geschäftsführerin des Maschinenbauunternehmens DEGUMA-SCHÜTZ GmbH aus Geisa ergänzt: »Bei uns läuft schon vieles digital. Aber wir wünschen uns, dass die vielen Daten aus früheren Dokumentationen, der Aufbereitung der Maschinen, unserem Qualitätsmanagement und auch der späteren Inbetriebnahme beim Kunden in einem System zusammenlaufen könnten. Das würde enorm zur Wertschöpfung beitragen.«

 

Auch Arbeitnehmerrechte und Datenschutz spielen eine wichtige Rolle

Die Begleitung der Anwender durch Augmented-Reality-Werkzeuge wirft im Projekt auch rechtliche und ergonomische Fragen auf: Aus diesem Grund arbeiten die Partner eng mit der Rechtsanwaltskanzlei reuschlaw Legal Consultants aus Berlin sowie Vertretern der IG Metall zusammen, die sowohl Datenschutz, Datensicherheit und Produkthaftung als auch Ergonomie und Akzeptanz der neuen technologischen Angebote prüfen. Als Netzwerkpartner für den Austausch mit weiteren interessierten Unternehmen beteiligt sich außerdem der digitalHub Aachen am Forschungsprojekt AdaptAR.

 

Die Projektpartner

- Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, Aachen

- Werkezugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, Aachen

- Aixtron SE, Herzogenrath

- DEGUMA-SCHÜTZ GmbH, Geisa

- Fionec GmbH, Aachen

- Miele & Cie. KG, Gütersloh

- Inform GmbH, Aachen

- Oculavis GmbH, Aachen

- EML Speech Technology GmbH, Heidelberg

- Linguatec Sprachtechnologien GmbH, München

- reuschlaw Legal Consultants, Berlin

- IG Metall, Frankfurt am Main

- DigitalHUB Aachen

 

Siehe auch:

https://www.ipt.fraunhofer.de

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