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Redaktion: Heinz Schmitz


Radarstrahlen vernetzen und orten Alltagsgegenstände

Sendemodul

Bis zu neun solcher Sende-Empfangsmodule sind in der Lampenkonstruktion integriert. Sie decken somit den gesamten Raum ab. (Quelle: Fraunhofer)

 

Beim Begriff Radar denken die meisten Menschen an Szenarien aus dem Flugverkehr oder der Schifffahrt. Auch für die Suche nach Weltraumschrott wird Radartechnik eingesetzt. Dabei geht es immer um die Ortung und Geschwindigkeitsmessung von fliegenden Objekten. Aber in den vergangenen Jahren arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstärkt daran, die Radarstrahlen auch für Anwendungen in geschlossenen Räumen einzusetzen. Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin beschäftigt sich mit einem besonders vielversprechenden Projekt zu dieser Thematik.

 

In dem Projekt OmniConnect wird Radar genutzt, um die Bewegung und die Position von Objekten in Räumen zu erkennen. Die Forscher nutzen ein sogenanntes Sekundärradar. Ein konventionelles Radar erfasst Objekte und ihre Bewegungen, liefert aber keine weiteren Daten. Ein Sekundärradar kombiniert Radarstrahlen mit Tags, die an Objekten befestigt werden. Diese passiven Tags verraten dem System nicht nur die Position im Raum und seine Bewegungen, sie können auch Informationen über das Objekt übermitteln.

 

Energieeffizient, kompakt, ungefährlich

Aufgrund der hohen Frequenz im 60-GHz-Band können die Systeme hochintegriert entwickelt werden. Die einzelnen Sende- und Empfangsmodule sind nur 25 Quadratzentimeter groß. Konflikte mit Mobilfunk, WLAN oder Bluetooth sind ausgeschlossen. Für den Menschen ist die Strahlung völlig ungefährlich.

 

Das in OmniConnect entwickelte System ist ideal, um beliebige Objekte oder Alltagsgegenstände miteinander zu vernetzen oder in ein Heimnetzwerk einzubinden. Die passiven Tags benötigen keine eigene Stromversorgung – lästige Batteriewechsel entfallen also.

 

Positionierung von Tags

Die passiven Tags können unauffällig in Alltagsgegenständen wie etwa Kleidern integriert werden. Radarmodule an der Decke erfassen die Position und die Bewegungen der Tags. (Quelle: OFFIS e.V./ Fraunhofer)

 

Projekt im Pflegebereich

Die Forscher am Fraunhofer IZM haben auch ein ganz anderes Szenario im

Blick: Die Betreuung sturzgefährdeter, demenzkranker oder auf andere Weise pflegebedürftiger Menschen. Die nur 5 x 1 Zentimeter großen und flexiblen Tags lassen sich problemlos in Textilien einnähen. Damit könnte das Personal in einer mit dem OmniConnect-System ausgestatteten Einrichtung beispielsweise feststellen, ob ein pflegebedürftiger Mensch sich in seiner Wohnung aufhält und wo er sich gerade befindet. Verharrt die Person ungewöhnlich lange an einer bestimmten Stelle, könnten die Pflegerin oder der Pfleger nachsehen, ob es ihr gut geht. »Die Position eines Tags und damit die Position der Person lässt sich auf 10 Zentimeter genau feststellen«, erklärt Christian Tschoban, Projektleiter am IZM. Da das OmniConnect-System auch die Höhe des Tags erfasst, merkt es auch, wenn die Person auf dem Boden liegt. Dann könnte das System Alarm schlagen und das Betreuungspersonal nachsehen, ob die Person hingefallen ist.

 

Die technische Basis

Ausgesendet und empfangen werden die Radarstrahlen von einem halbkugelförmigen Element, das idealerweise in der Mitte des Raums an der Decke befestigt ist und aussieht wie eine Lampe. Das Aufbringen der Leiterbahnen und der Sende-Empfangs-Module auf der halbkugelförmigen Oberfläche aus Polyurethan basiert auf einer besonderen Expertise des IZM- Teams im Bereich der Aufbau- und Verbindungstechnik. Zurzeit werden erste Muster aufgebaut. Insgesamt bis zu neun Radarmodule sind auf der »Lampe« verteilt. Sie bieten somit eine sehr gleichmäßige und lückenlose Abdeckung des gesamten Raums.

 

Das Fraunhofer IZM verfügt seit vielen Jahren über Erfahrung im Bereich der Radartechnik und hat diese Expertise in das Projekt eingebracht. Den Forscher um Christian Tschoban ist es damit erstmals gelungen, Sekundärradar und passive Tags zu einem leistungsfähigen System zu kombinieren. Das wiederum bildet die technische Basis für die OmniConnect- Anlage.

 

Projektpartner aus Berlin und Oldenburg

Die Radartechnik aus dem Fraunhofer IZM liefert die Daten, diese müssen jedoch noch ausgewertet, visualisiert und das System muss über eine Software gesteuert werden. Deshalb arbeitet das Fraunhofer-Institut mit Projektpartnern zusammen. Das Informatikforschungsinstitut OFFIS aus Oldenburg wertet die Daten aus und ist für die KI-basierte Bewegungs- und Tätigkeitserkennung zuständig. Dies ist besonders wichtig für die nachgelagerten Assistenzanwendungen wie zum Beispiel eine verlässliche Fallerkennung.

 

Das Unternehmen HFC Human-Factors-Consult GmbH aus Berlin programmiert eine nutzerfreundliche Schnittstelle als App. Mit den fertig entwickelten Prototypen werden am Schluss des Projekts Nutzerstudien durchgeführt. Ein weiterer Berliner Partner ist die Netz-Werker AG, welche bereits seit einigen Jahren Lösungen in den Bereichen des Ambient Assisted Living (AAL) und Smart Home entwickelt. Die Entwicklung von Schnittstellen für die OmniConnect-Technologie ist dabei Vorreiter für den Einsatz intelligenterer Sensorik auf einem neuen Komplexitätslevel. Prof. Thomas Jürgensohn, Projektkoordinator von HFC Human-Factors-Consult, erklärt: »Im Pflegebereich bietet OmniConnect eine kostengünstige Möglichkeit, um die Bewegungen pflegebedürftiger Menschen in ihrer eigenen Umgebung zu beobachten und in Notfällen eingreifen zu können. Aber auch außerhalb der Pflege sind viele Anwendungen möglich.«

 

Anwendungen in der Heimvernetzung

Ein zukunftsweisendes Szenario stellt die Heimvernetzung dar. Hier könnte die radarbasierte Technik einen Beitrag zur Realisierung von Internet-of- Things-Anwendungen (IoT) leisten. Geräte und Gegenstände übermitteln über Tags und Sekundärradar ihren Status und ihre Position oder tauschen untereinander Daten aus. »Wer öfter mal seinen Schlüssel verlegt, befestigt einfach einen kleinen Tag am Schlüssel, bindet den ins System ein und verlegt den Schlüssel nie wieder«, schmunzelt Tschoban. In der Industrieproduktion ließe sich ein OmniConnect-System im Bereich Mensch- Maschine-Kooperation einsetzen. Dann würde der Roboter beispielsweise in Echtzeit erkennen, wo genau im gemeinsamen Arbeitsbereich sich der menschliche Kollege aufhält. Ein erster Prototyp des Systems für den Pflegebereich soll bis zum Winter 2021 fertiggestellt werden.

 

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