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Redaktion: Heinz Schmitz
Email vom Chef nach Feierabend
Ein großer Anteil der „Wissensarbeiter“ unterbricht den Feierabend gelegentlich oder häufig für den Arbeitgeber. Darauf deuten die Ergebnisse einer sogenannten Tagebuch-Studie der Universität Kassel hin. Demnach nutzen rund zwei Drittel der geistig tätigen Beschäftigten manchmal, häufig oder immer auch abends Internet oder Smartphone, um berufliche Emails abzurufen oder Gespräche zu führen. Viele Personen bewerten es zwar positiv, am Abend erreichbar zu sein – doch auch sie erholen sich dadurch tendenziell schlechter, so die Ergebnisse.
Für die Studie befragten Prof. Dr. Sandra Ohly, Leiterin des Fachgebiets Wirtschaftspsychologie der Universität Kassel, und ihr Team 138 Wissensarbeiterinnen und Wissensarbeiter, also Beschäftigte, die geistig arbeiten. Sie sind in verschiedenen Unternehmen bundesweit tätig. Teil der Untersuchung, die im Sommer 2014 durchgeführt wurde, war ein Tagebuch.
Darin hielten die Befragten eine Woche lang morgens, nach der Arbeit und am Abend fest, wie sie Internet und Mobilfunk für berufliche Zwecke nutzten. Außerdem machten sie u.a. Angaben über ihr Wohlbefinden. Nach diesen Ergebnissen verbrachten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie am Feierabend im Schnitt 26 Minuten damit, berufliche Mails zu bearbeiten oder berufliche Anrufe entgegen zu nehmen. Betrachtet man nur diejenigen Tage, an denen der Feierabend überhaupt unterbrochen wurde, waren es sogar 46 Minuten.
Nur 10 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, den Feierabend nie zu unterbrechen, weitere 21 Prozent tun dies selten. Hingegen greifen
20 Prozent „manchmal“ für das Unternehmen zu Smartphone oder Rechner, 27 Prozent häufig, 14 Prozent immer. Ein Großteil der Befragten ist damit aber offenbar grundsätzlich einverstanden. Nur 12 Prozent äußerten sich unzufrieden oder sehr unzufrieden mit dem Ausmaß ihrer beruflichen Inanspruchnahme nach Arbeitsende. Die Studie fragte auch nach konkreten negativen und möglichen positiven Aspekten der Nutzung neuer Technologie.
Ergebnis: Vergleichsweise häufig notierten es die Beschäftigten als belastend, wenn sie am Feierabend Emails beantworten mussten. Viele Personen empfanden es hingegen grundsätzlich als positiv, abends in dringenden Fällen erreichbar zu sein. Das Team berichtet aber von einem interessanten Befund: Auch Personen, die diese Erreichbarkeit als positiv empfanden, notierten am Morgen häufig eine schlechtere Stimmung, weniger Vitalität und stellten tendenziell eine schlechtere Schlafqualität fest. „Dies legt nahe: Auch eine möglicherweise als positiv empfundene Erreichbarkeit am Feierabend stellt eine Belastung dar, die der Erholung entgegenwirkt“, sagt Dr. Antje Schmitt, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin.
Tagebuch-Studien dieser Art sind für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufwändig, daher liegt die Teilnehmerzahl häufig niedrig. „Mit 138 Rückläufen haben wir eine vergleichsweise hohe Beteiligung“, so Schmitt. „Die Ergebnisse lassen sich nicht eins zu eins auf alle Beschäftigten hochrechnen, geben aber deutliche Hinweise.“ Weitere Erhebungen sind geplant.
Die Ergebnisse der Tagebuch-Studie sollen auch dazu dienen, Filter für Smartphones zu entwickeln, um die Belastungen durch berufliche Mails zu verringern, ohne die Erreichbarkeit einzuschränken. Regeln und technische Lösungen für das Internet-Zeitalter zu entwickeln, die die Nachteile der modernen Kommunikationsmöglichkeiten vermeiden, aber deren Vorteile erhalten – das ist das Ziel des interdisziplinären Forschungsschwerpunkts „Social Link“, den das Land Hessen im Rahmen seines Landesexzellenzprogramms LOEWE fördert und in dessen Rahmen die Erhebung stattfand.