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Redaktion: Heinz Schmitz
Forscher entwickeln neue SmartTV-Anwendungen
Noch sind sie in der Minderheit. Aber ihre Zahl wächst rasant: Fernsehgucker, die mit ihrem TV-Gerät ins Internet gehen. Von zwei auf 12 Prozent ist ihr Anteil im letzten Jahr laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2013 gestiegen. Einen internetfähigen Fernseher besitzen inzwischen 29 Prozent der Haushalte, die online sind. Die Menschen klicken auf die Mediatheken der Sender, um Videos dann anzusehen, wenn sie Zeit dafür haben. Aus Internet-Videotheken holen sie sich angesagte Filme per Fernbedienung ins Wohnzimmer. Und sie konsumieren immer mehr Videos aus dem Internet: 43 Prozent der deutschen Onliner – rund 23 Millionen Menschen – machen das regelmäßig. 2013 sechs Prozent mehr als 2012.
Die Hersteller reagieren auf den Trend und stellen die dafür notwendige Technik bereit. Viele Smartphone-Modelle haben beispielsweise das Display-Mirroring, das Spiegeln von Inhalten auf andere Endgeräte, mittlerweile standardmäßig integriert.“ Die Nutzer verbinden die Vorteile der einzelnen Geräte: zum Beispiel das gute Handling des Smartphones und die Qualität von großen TV-Bildschirmen“, sagt Robert Seeliger vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssystems FOKUS in Berlin. Für den Medienexperten aus dem Competence Center FAME (Future Applications and Media) ist das aber noch lange nicht das Ende der Entwicklung: “Bei den aktuellen Angeboten handelt es sich fast ausschließlich um in sich geschlossene Insellösungen der Hersteller. Wer Geräte von unterschiedlichen Anbietern besitzt, schaut in Sachen SmartTV deshalb oft noch in die Röhre. Auch die über den Fernseher angebotenen Apps liefern eher allgemeine Informationen. Sie bilden meist nur den gleichen Content ab, den man auch über den Browser am PC abrufen kann. Ein konkreter Bezug zwischen Fernseh- und Internetinhalten fehlt.“
Diese Lücke verspricht der Standard für das Internetfernsehen HbbTV zu schließen. Das Kürzel steht für Hybrid broadcast broadband TV. Es trägt das Verschmelzen von Fernsehen und Internet im Namen. Broadcast, das ist die alte Welt. Das klassische Fernsehsignal, das die TV-Sender via Kabel, Satellit oder terrestrischer Funkantenne auf die TV-Geräte der Nutzer schicken. Hinter broadband verbirgt sich das Internet. Mit HbbTV können es die Sender einfach an das Fernsehsignal anhängen. Zum Beispiel, um zusätzliche Informationen mitzuliefern. HbbTV ist eine gemeinsame Entwicklung von Rundfunksendern, Satellitenbetreibern und Software- Unternehmen – Fraunhofer ist Partner. Der Technologiestandard basiert auf offenen Web-Technologien für Browser.“HTML5, CSS oder Javascript liegen eine Ebene über den verschiedenen Protokollen der Hersteller, sind deren gemeinsamer Nenner. Die Web-Technologien kommunizieren über spezielle Schnittstellen mit den einzelnen Insellösungen. Wir nennen diese Schnittstellen Application Programming Interface, kurz API. Sie sitzen zwischen dem Browser und den darunterliegenden Features, die dem SmartTV vom Betriebssystem angeboten werden – zum Beispiel das Display- Mirroring“, erklärt Louay Bassbouss, Multiscreen-Experte im Competence Center FAME. Die Standardisierungsorganisation World Wide Web Consortium (W3C) hat ein API spezifiziert, das Webcontent auf einem SecondScreen, zum Beispiel einem Fernsehgerät, von einer Website aus anzeigt und steuert.“ Der Vorteil ist, dass die Lösungen der Hersteller nicht neu geschrieben werden müssen. Das API übernimmt alleine die Kommunikation zwischen den verschiedenen Softwareprotokollen“, sagt Bassbouss, der an der Schnittstelle mitgearbeitet hat.
Eine denkbare Anwendung: zeitgenaue Zusatzinformationen zu laufenden Fernsehsendungen, die der Nutzer über einen SecondScreen abruft. Das kann ein PC, Tablet oder Smartphone sein. Konkret sieht das wie folgt aus: Der Nutzer schaut eine Fernsehsendung über Berlin an. An einer bestimmten Stelle ist das Brandenburger Tor zu sehen. Just in diesem Augenblick erscheint auf dem Fernsehbildschirm ein Symbol: “Informationen zum Brandenburger Tor“. Der Nutzer steuert dieses über die blaue Taste seiner Fernbedienung an. Ein Knopfdruck und er erhält die Hintergrundinfos auf sein Smartphone. Die Kommunikation zwischen Fernseher und SecondScreen läuft über eine zuvor installierte App des Fernsehsenders.“ Der Sender kann die mit dem Internetsignal mitgelieferten Inhalte frei wählen. Das können zum Beispiel Hintergrundinformationen, Gewinnspiele oder Reiseangebote sein“, so Seeliger. Aber wird der Nutzer die neuen Angebote überhaupt wahrnehmen? Laut Seeliger zeichnet der überwiegende Teil der – ihm dazu bekannten – Studien ein positives Bild. Er selbst testet die neuen Möglichkeiten regelmäßig mit Verbrauchern: “Auffallend ist fast jedes Mal, dass die, die zu Beginn am skeptischsten waren, sich nach den Tests in die größten Fans verwandelten.“
Eine weitere Anwendung ist die zielgruppenbezogene Werbung. Für einen europäischen Werbevermarkter hat Fraunhofer dafür eine konkrete Anwendung entwickelt. Der Sender kann Nutzungsstatistiken verwenden, um passende Werbung zu senden. Für die Zielgruppe, die gerade vor dem Fernseher sitzt. Auch lokale Werbeschaltungen sind möglich. “Das bietet gerade für kleine Sparten- und Lokalsender neue, flexiblere Vermarktungsmöglichkeiten. Sie müssen Werbung nicht mehr automatisch, sondern können sie nach Bedarf schalten oder gezielt mit einer Kampagne verknüpfen. Zum Beispiel dann, wenn ein Produkt in einer bestimmten Region für eine bestimmte Zeit günstiger zu kaufen ist. Der Nutzer ordert dann bequem via PC, Tablet oder Smartphone. Wir sind zwar noch nicht soweit, die Werbung so stark wie im Internet zu personalisieren. Aber die jetzt entwickelten Standards und Technologien sind dazu Voraussetzung“, sagt Bassbouss.
»Wir sensibilisieren dafür, auf den Datenschutz zu achten. Allerdings muss man sich auch bewusst sein: Für personalisierte Angebote ist es notwendig, das Nutzerverhalten zu verfolgen. Ohne das geht es nicht – weder beim klassischen Web-Browsing am PC, noch beim Abrufen von Internetinhalten über SmartTVs. Entscheidend ist, dass der Anbieter sorgsam und verantwortungsvoll mit den Daten umgeht“, so Seeliger.
Eine dritte Anwendung ist Video-on-Demand. Schon heute ist es möglich, über seinen SmartTV online Videos zu kaufen, zu leihen oder zu abonnieren – und dann gleich anzusehen. Damit dieses Geschäftsmodell funktioniert, muss gewährleistet sein, dass den Käufern ein bestimmter digitaler Inhalt für eine vertraglich vorbestimmte Zeit zur Verfügung steht. Beim Digital Rights Management (DRM) werden die Inhalte mit entsprechenden Softwaremodulen ver- und entschlüsselt. “Welche Technologie dafür eingesetzt wird hängt vom verwendeten Browser und Betriebssystem ab. Um DRM geräte- und anbieterunabhängig bereit zu stellen, musste man bisher Plug-ins verwenden. Die kleinen Softwaremodule sind in eine Anwendung eingebunden und erweitern deren Funktionalität. Doch deren Bedeutung bei der Softwareentwicklung sinkt. Denn sie sind proprietär. Die Zukunft im Web basiert auf offenen Standards“, so Bassbouss. Auch hier liegt die Lösung wieder in den auf Webtechnologien basierenden APIs. Eine Schnittstelle, die DRM auch ohne Plug-ins sicherstellt, ist ebenfalls in einer W3C-Working Group entstanden. “Sie erlaubt, Anwendungen und Inhalte über verschiedene DRM-Systeme hinweg zu erstellen. Mit der plattformübergreifenden Technologie erreicht man wesentlich mehr Nutzer, als mit den abgekapselten Plug-ins. Das wird Video-on-Demand noch beliebter machen“, sagt Bassbouss, der mit an der DRM-API gearbeitet hat.
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