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Redaktion: Heinz Schmitz


Literatur digital erforschen

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Forscher wollen literarische Texte mit Hilfe von Computern auf Inhalt, Wortwahl oder Sprachstil untersuchen. (Quelle: Free-Photos/Pixabay)

Im Jahr 2013 brachte die Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling unter dem Pseudonym Robert Galbraith die Kriminalgeschichte „The Cuckoo's Calling“ heraus. „Dass hinter dem unbekannten Schriftsteller in Wahrheit die berühmte Erfolgsautorin steckte, konnte man auch mit einer computergestützten Stilanalyse zeigen“, sagt Professor Fotis Jannidis, Inhaber des Lehrstuhls für Computerphilologie und neuere deutsche Literaturgeschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Das bedeutet: Algorithmen können erkennen, ob ein Text mit großer Wahrscheinlichkeit von einem bestimmten Autor stammt, wenn von diesem Vergleichstexte vorliegen. Lässt sich diese Methode auch dazu einsetzen, um Textgattungen zu unterscheiden oder um einen Text einer Epoche zuzuschreiben? Unter anderem solche Fragen sollen im bundesweiten Schwerpunktprogramm „Computational Literary Studies“ geklärt werden.

 

Deep Learning und andere Technologien

Literarische Texte mit Hilfe von Computern auf Inhalt, Wortwahl oder Sprachstil untersuchen: Dieser Forschungsansatz hat sich in den vergangenen zehn Jahren gut etabliert. Mittlerweile gibt es Tausende von Romanen, Dramen und lyrischen Werken auch in digitaler Form – der literarische Datenschatz ist gewachsen. Gleichzeitig wurden die Methoden der Datenanalyse verbessert. Das eröffnet der Forschung neue Wege, um Erkenntnisse über Strukturen und Entwicklungen von Literatur zu gewinnen. „Deep Learning und andere Methoden des maschinellen Lernens machen neue Analyseverfahren für Texte möglich“, erklärt Professor Jannidis. Die Technologie des Deep Learning steht unter anderem hinter den inzwischen sehr guten Spracherkennungsverfahren. Diese sorgen beispielsweise dafür, dass Smartphones sich auf die charakteristischen sprachlichen Eigenheiten ihrer Besitzer einstellen können.

 

Gefühlsverläufe in Romanen aufdecken

Entwicklungspotenzial schlummert laut Jannidis etwa auf dem Gebiet der

Gefühlsanalyse: Wie kann man einem Computer beibringen, die Gefühlspolarität von Wörtern zu ermitteln? Herauszufinden, ob Wörter positiv, negativ oder neutral besetzt sind? Mit einem solchen Werkzeug ließe sich beschreiben, welche Grundstimmungen in einem Roman vorherrschen und wie sie sich im Verlauf des Textes ändern. „Es gibt dafür schon spezifische Algorithmen, die aber für Zeitungsnachrichten entwickelt wurden. Man muss sie jetzt speziell für das Gebiet der Literatur anpassen.“

 

Für Literaturwissenschaftler ist nicht zuletzt die Möglichkeit reizvoll, auf diese Weise die zahlreichen ungelesenen Texte jenseits des Kanons – also der kleinen Liste von Texten, die als unbedingt lesenswert gelten – wieder zugänglich zu machen und so der Forschung zu erschließen.

 

Folgende Schwerpunkte stehen im Zentrum der Forschungsprogramme:

 

- Ermittlung, welche Verfahren der Informatik und Computerlinguistik für die Analyse literarischer Texte relevant sind,

 

- Anwendung existierender Algorithmen auf neue Datensätze zur Generierung neuer Erkenntnisse über kulturelle Phänomene, Veränderungen und Strukturen,

 

- Forschung über bestehende Algorithmen, um diese zu erweitern, Wege zur Anpassung von Parametern zu finden sowie das Verständnis ihrer Interaktion mit literarischen Texten zu verbessern,

 

- formale Modellierung literaturwissenschaftlich relevanter Konzepte, wobei die Tiefe der formalen Modellierung literarischer Phänomene skalierbar ist,

 

- Integration von Ergebnissen quantitativ-empirischer Forschung in den qualitativ-hermeneutischen Forschungsprozess und die Theorie- und Begriffsbildung.

 

Siehe auch:

http://www.dfg.de/spp

http://www.dfg.de/foerderung/info_wissenschaft/info_wissenschaft_18_30/index.html

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