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Redaktion: Heinz Schmitz
Magnetfeld und Laser entlocken Graphen ein Geheimnis
Graphen gilt als „Wundermaterial“: Es ist reißfester als Stahl und leitet Strom und Wärme besser als Kupfer. Als zweidimensionale Schicht, die nur aus einer Lage an Kohlenstoff-Atomen besteht, ist es aber zugleich auch flexibel, fast durchsichtig und rund eine Million Mal dünner als ein Blatt Papier. Schon kurz nach seiner Entdeckung vor zehn Jahren erkannten Wissenschaftler zudem, dass sich die Energiezustände von Graphen im Magnetfeld – die sogenannten Landau-Niveaus – anders verhalten als die von Halbleitern. „Es wurden zwar viele faszinierende Effekte von Graphen in Magnetfeldern entdeckt, aber die Dynamik von Elektronen hat bislang niemand in einem solchen System untersucht“, erklärt der Physiker Dr. Stephan Winnerl vom Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).
Die HZDR-Forscher setzten das Graphen einem vier Tesla starken Magnetfeld aus – 40 Mal stärker als ein Hufeisenmagnet. Das genügt, um Elektronen im Graphen dazu zu bringen, nur noch ganz bestimmte Energiezustände einzunehmen. Die negativ geladenen Teilchen werden so gewissermaßen auf Bahnen gezwungen. Diese Energieniveaus wurden dann mit Lichtpulsen des Freie-Elektronen-Lasers am HZDR untersucht. „Der Laserpuls regt die Elektronen auf ein bestimmtes Landau-Niveau an. Ein zeitlich versetzter Puls fragt dann ab, wie sich das System entwickelt“, erklärt Martin Mittendorff, Doktorand am HZDR und Erstautor des Papers.
Das Ergebnis der Versuche verblüffte die Wissenschaftler. Nach und nach leerte sich ausgerechnet das Energieniveau, in welches per Laser stets neue Elektronen gepumpt wurden. Den paradox wirkenden Effekt veranschaulicht Winnerl an einem Alltagsbeispiel: „Man stelle sich vor, eine Bibliothekarin sortiert Bücher in einem Regal mit drei Böden um. Sie stellt jeweils ein Buch vom unteren Boden in den mittleren. Gleichzeitig ‚hilft‘ ihr Sohn, indem er immer zwei Bücher aus der Mitte nimmt und eins davon in den oberen, das andere in den unteren Boden stellt. Der Junge macht das so eifrig, dass die Anzahl der Bücher im mittleren Boden abnimmt, obwohl seine Mutter ja gerade diesen Boden neu füllen möchte.“
Da es zu solchen Dynamiken zuvor weder Experimente noch Theorien gab, hatten die Dresdner Physiker anfangs Probleme, die Signale richtig zu deuten. Doch nach einigen Versuchen fanden sie eine Erklärung: Stoßprozesse zwischen Elektronen verursachen das ungewöhnliche Umsortieren. „Dieser Effekt ist als Auger-Streuung schon länger bekannt, doch niemand hätte erwartet, dass er so stark ist und ein Energieniveau immer leerer räumt“, erläutert Winnerl.
Diese neue Entdeckung könnte in Zukunft für die Entwicklung eines Lasers genutzt werden, der Licht mit beliebig einstellbarer Wellenlänge im Infrarot- und Terahertz-Bereich produzieren kann. „So ein Landau-Niveau- Laser galt lange als unmöglich, doch dank Graphen könnte dieser Traum der Halbleiter-Physiker durchaus wahr werden“, merkt Winnerl begeistert an.
Nachdem sich das grundlegende Modell in den Experimenten bewährt hatte, folgte an der Technischen Universität Berlin die theoretische Feinarbeit.
Die Berliner Wissenschaftler Ermin Malic und Andreas Knorr bestätigten mit komplexen Berechnungen die Annahmen der Dresdner Gruppe und lieferten detaillierte Einblicke in die zugrundeliegenden Mechanismen. Zudem kooperierten die HZDR-Forscher mit dem französischen Hochfeld-Magnetlabor in Grenoble (Laboratoire National des Champs Magnétiques Intenses – LNCMI), der Karls-Universität Prag und dem US-amerikanischen Georgia Institute of Technology, Atlanta.
Originalpublikation:
Martin Mittendorff, Stephan Winnerl u.a.: „Carrier dynamics in Landau quantized graphene featuring strong Auger scattering“, Nature Physics, im Druck, DOI: 10.1038/NPHYS3164