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Redaktion: Heinz Schmitz


Neuer Ansatz für die Quanteninformationsverarbeitung

Die Informationsverarbeitung in Computern beruht auf dem gezielten Steuern elektrischer Ströme auf – inzwischen – extrem kurzen Zeitskalen von Bruchteilen von Nanosekunden. Die Schaltvorgänge innerhalb des Chips werden dabei allerdings nur durch den Transport von Elektronen erreicht, ohne besonderen Nutzen aus deren quantenmechanischer Wellennatur zu ziehen. Könnte diese Eigenschaft gezielt ausgenutzt werden, würde ein großer Traum vieler Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in greifbare Nähe rücken: der Quantencomputer. Mit ihm könnten kryptographische und naturwissenschaftliche Fragestellungen, die aus heutiger Sicht noch unlösbar scheinen, in kürzester Zeit beantwortet werden. Den Herausforderungen der Quanteninformationsverarbeitung haben sich weltweit schon viele Forscherteams gestellt, sodass inzwischen zahlreiche Konzepte zur Implementierung der sogenannten Qubits existieren, die das quantenmechanische Äquivalent zum konventionellen Bit darstellen. Qubits lassen sich durch Quantensysteme umsetzen, die typischerweise extrem fragiler Natur sind. Dementsprechend erfordern nahezu alle Ansätze eine aufwändige Strukturierung von komplexen Nanomaterialien sowie kryogene Kühlung auf wenige Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt, damit thermische Einflüsse die empfindliche Wellenfunktion des Qubits nicht zerstören können.

 

Ein Team um Dr. Christoph Lange und Prof. Dr. Rupert Huber vom Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Regensburg sowie Forscher um Prof. Dr. Mackillo Kira und Prof. Dr. Stephan W. Koch von der Universität Marburg haben nun in einem nanometerdünnen Halbleitersystem eine neue Klasse von Wechselwirkungen nachgewiesen, die sich für Qubits in einfachen Strukturen nutzen ließen – und dies potentiell bei Zimmertemperatur. Dazu legten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein starkes Magnetfeld an die Halbleiterprobe an, in der dann alle Elektronen ähnlich wie in einem Karussell eine Kreisbewegung um die Magnetfeldachse vollführen. Gemäß dem in den 1960er Jahren entwickelten und nach seinem Erfinder benannten Kohn-Theorem sollte die Wellenfunktion dieser sogenannten Landau-Elektronen zwar sehr robust gegen äußere Störungen sein und sich daher für Qubits wenig eignen. Mittels starker elektromagnetischer Impulse im Terahertz-Spektralbereich gelang es den Forschern jedoch, dieses Quantenkarussell auf kürzester Zeitskala so stark aufzuschaukeln, dass die Elektronen mit dem Kristallgitter wechselwirken und dabei eine starke Taumelbewegung vollführen.

 

Die resultierende nichtlineare Abweichung von der idealen Kreisbahn erlaubt es, Quanteninformationen innerhalb von wenigen Femtosekunden (1 Femtosekunde = 10 15s) – also weit mehr als 1.000 Mal schneller als in einem konventionellen Computer – gezielt zu lesen und zu schreiben. Liegt kein Schreib- oder Leseimpuls an, sorgt das Kohn-Theorem hingegen weiterhin dafür, dass die Quanteninformation sehr lange erhalten bleibt. Zu diesem experimentellen Ergebnis steuerten die theoretischen Physiker aus Marburg eine vollständige Quantentheorie bei, die auf aufwendigsten numerischen Simulationen basiert und nicht nur die bereits gemessenen Daten vollständig erklärt, sondern auch Voraussagen für zukünftige Materialsysteme erlaubt.

 

Die Forscher prüfen derzeit, wie sich die ideale Kombination von effizientem Quantenschalter und robustem Quantenspeicher auf andere Materialsysteme wie Graphen übertragen lässt, wodurch sich das Konzept auch bei Raumtemperatur ausnutzen ließe. Zudem laufen bereits analoge Experimente zur Quantenoptik, in denen künstlich geschaffene Quasiteilchen – halb Licht, halb Materie – mit noch stärkeren Nichtlinearitäten aufwarten. Aus Sicht der Wissenschaftler ist mit den vorliegenden Ergebnissen der Grundstein für magnetische Quantenbits gelegt, womit sich ein breites und neuartiges Forschungsfeld für die Quanteninformationsverarbeitung öffnet.

 

Siehe auch:

http://www.uni-regensburg.de/

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