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Redaktion: Heinz Schmitz


Schusters Leisten in 3D

Innovative Technik ist auch in der mehrheitlich mittelständisch geprägten deutschen Schuhindustrie unabdingbar, um sich am hart umkämpften Markt erfolgreich behaupten zu können. In einem Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) haben Wissenschaftler des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens (PFI) und der Fakultät für Informatik der Technischen Universität Chemnitz erstmals methodische Grundlagen erarbeitet, die einen 3D Stiefelentwurf aufgrund realer Beinmessdaten ermöglichen. Die vorwettbewerbliche IGF ermöglicht insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen. Sie wird zusammen mit 100 branchenorientierten Forschungsvereinigungen im Innovationsnetzwerk der AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen organisiert.

 

Gegenwärtig erfolgt die Erarbeitung von Stiefelmodellen ausschließlich zweidimensional. Der Designer erarbeitet sein Musterstück als Zeichnung auf einem Blatt Papier. „Da keine Beinmaße vorliegen, geht er von einem Bein aus, das nach seinen subjektiven Vorstellungen „ideal“ ist und das Modell am vorteilhaftesten zeigt.“, erklärt Dr. Monika Richter, Projektverantwortliche am PFI. Wie der Stiefel dann tatsächlich aussieht und wie er modisch wirkt, dies zeigt sich erst, wenn er gefertigt worden ist. Entspricht er dann nicht den Vorstellungen der Entscheidungsträger in den Firmenleitungen, dem Marketing oder Vertrieb, wird er optisch verändert oder verworfen. Bis zu diesem Arbeitsvorgang sind bereits immense Kosten entstanden, denn der Materialverbrauch ist bei der Anfertigung von Musterstiefel-Serien, insbesondere solchen mit einem langen Schaft, sehr hoch.

 

In einem ersten Schritt wurde daher zunächst ein dreidimensionales Unterschenkelmodell entwickelt, das sich – basierend auf empirischen Ermittlungen – an die in der Bevölkerung tatsächlich auftretenden verschiedenen Grundtypen von Beinformen anpassen lässt. Die Daten müssen daraufhin mit den digitalen Daten der Leisten verschmolzen werden. Unter diesen versteht man das vereinfachte Abbild des Fußes, das letztendlich die Passform bestimmt. Es entsteht ein fotorealistisches und stereoskopisch, das heißt räumlich dargestelltes Stiefelmodell, das dem Designer die Bewertung sowie einfache Modifikationen ermöglicht.

 

„Die Projektergebnisse bieten Schuhherstellern eine völlig neue Arbeitsweise beim Design von Stiefeln, insbesondere Schaftstiefeln.“, stellt Dr. Richter abschließend fest. Mit Hilfe des Modells sei es möglich, diverse Beinformen zu berücksichtigen und anschließend über das Design zu entscheiden. Die kosten- und entwicklungsintensive Herstellung einer Musterserie könne wesentlich reduziert werden. Darüber hinaus werde ein bessere Passform und Optik erreicht.

Insbesondere kleine und mittlere Betriebe ziehen einen großen Nutzen aus den Resultaten des IGF-Vorhabens, da sie bedarfsgerechter produzieren können. Der Umsatz der deutschen Schuhindustrie lag 2012 bei rund 2,4 Milliarden Euro.

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