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Redaktion: Heinz Schmitz


Twitter nichts für politische Diskussionen

Twitter Clinton
Selbst Polit-Profis wie zum Beispiel Hillary Clinton sind gegen Trolle machtlos. Sie bat Jugendliche via Twitter, sich mit Hilfe von Emojis zum Thema Studienkredite zu äußern und erntete eine Welle von Anfeindungen. Quelle: Screenshot/hiz)

Internet-Trolle gefährden die Qualität der politischen Diskussionen bei Twitter offenbar stärker als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommen die Mannheimer Sozialforscher Dr. Yannis Theocharis und Dr. Sebastian Adrian Popa in einer international vergleichenden Studie gemeinsam mit ihren Kollegen Professor Pablo Barberá von der University of Southern California und Dr. Zoltán Fazekas von der Universität Oslo. Als Trolle werden in der Welt des Internets Personen bezeichnet, die sich in absichtlich destruktiver, hasserfüllter oder auch ablenkender Absicht an Online-Diskussionen beteiligen. Experten sehen Trolle zunehmend als Problem, insbesondere was die politische Diskussionskultur betrifft. Das Magazin „New Yorker“ erklärte 2016 jüngst sogar zum „Jahr des politischen Trolls“.

 

Politiker nutzen Twitter als kommunikative Einbahnstraße

 „Politikern wird häufig vorgeworfen, dass sie Twitter lediglich als Sprachrohr verwenden, um ihre politischen Botschaften unter das Volk zu bringen, und sich nicht auf Diskussionen einlassen. Wie unsere Studie zeigt, stimmt das auch in vielen Fällen. Dabei wäre Twitter hervorragend für den direkten und öffentlichen Dialog mit dem Wähler geeignet“, konstatiert Yannis Theocharis. Er und seine Kollegen sind überzeugt, dass Troll-Attacken ein wichtiger Grund für die Einbahnstraßenkommunikation vieler Politiker sind: „Warum sollte sich ein vielbeschäftigter Abgeordneter oder jemand aus seinem Wahlkampfteam auf Twitter-Diskussionen einlassen, wenn das möglicherweise nur Boshaftigkeiten in Form von Hass oder Häme zur Folge hat? Teilweise ist das Diskussionsklima bei Twitter regelrecht vergiftet. Da erscheint es lohnender, nur ein paar politische Schlagworte abzusetzen, anstatt das Gespräch zu suchen.“ Das Potenzial von Twitter als Diskussionsmedium bleibe so allerdings ungenutzt, stellt Theocharis fest, was aus demokratietheoretischer Sicht bedauerlich sei.

 

Hunderttausende Tweets analysiert: Je mehr Diskussionsbereitschaft, desto mehr Trolle

Um den Einfluss von Trollen auf politische Debatten zu untersuchen, haben die Mannheimer Wissenschaftler die Twitter-Kommunikation von deutschen, griechischen, spanischen und britischen Politikern ausgewertet. Datengrundlage sind Hunderttausende Tweets von Europawahlkandidaten und deren Diskussionspartnern. Erhoben wurden diese als Teil der Europawahlstudie 2014, die am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim koordiniert wurde. „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Politiker bei Twitter häufig Ziel von Beleidigungen, Spott und anderen verbalen Angriffen sind. Auch bestätigte sich, dass Wahlkandidaten Twitter häufig nur nutzen, um ihre Botschaft abzusetzen, anstatt zu diskutieren“, erklärt Dr. Popa. „Beides war in dieser Form zu erwarten. Besonders bedenklich ist aber, dass vor allem diejenigen Politiker zur Zielscheibe von Trollen werden, die Twitter tatsächlich als Diskussionsmedium nutzen und nicht nur als Sprachrohr zur Selbstdarstellung“, fährt der Sozialforscher fort.

 

Auch Profis wie Hillary Clinton sind gegen Trolle machtlos

Nicht ausschließen wollen die Wissenschaftler, dass die diskussionsfreudigeren Politiker auch aus anderen Gründen häufiger zur Zielscheibe von Trollen werden, etwa aufgrund ihrer politischen Positionen. Eindeutig sei, dass selbst wohlüberlegt formulierte Einladungen zur Diskussion bei Twitter die Gefahr eines Kommunikationsdesasters bergen. Das musste beispielsweise Hillary Clinton erfahren, als sie vor einiger Zeit Jugendliche via Twitter bat, sich mit Hilfe von Emojis, also Bildsprache, zum Thema Studienkredite zu äußern und eine Welle von Anfeindungen erntete. Aufgrund solcher Erfahrungen sei es naheliegend, dass Twitter von Politikern oftmals eben nicht zur Diskussion, sondern lediglich als Kanal für Verlautbarungen genutzt werde, so die Mannheimer Forscher. „Wir müssen uns daher von zu hohen Erwartungen an Twitter als Ort demokratischer Diskussionskultur verabschieden“, fürchtet Theocharis, der seit Jahren zu Social Media und politischer Kommunikation forscht. „Und daran tragen definitiv nicht nur Politiker, sondern auch Internet-Trolle eine Mitschuld.“

 

Originalpublikationen:

Yannis Theocharis, Pablo Barberá, Zoltán Fazekas, Sebastian Adrian Popa (2016): A Bad Workman Blames his Tweets: The Consequences of Citizens' Uncivil Twitter Use when Interacting with Party Candidates. Journal of Communication:

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/jcom.12259/full

 

Yannis Theocharis Pablo Barberá, Zoltán Fazekas, Sebastian Adrian Popa: Twitter trolls are actually hurting democracy. Gastartikel im Blog „The Monkey Cage“ der Washington Post, erschienen am 04.11.2016:

https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2016/11/04/twitter-trolls-hurt-democracy-more-than-you-realize-heres-how/

 

Siehe auch:

http://www.mzes.uni-mannheim.de/d7/de/profiles/yannis-theocharis

http://www.mzes.uni-mannheim.de

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