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Redaktion: Heinz Schmitz


DNA als Langzeitspeicher

Jahrtausende alte Schriftrollen erlauben uns Einblicke in längst vergangene Kulturen und das Wissen unserer Vorfahren. Im digitalen Zeitalter liegt ein Großteil unseres Wissens jedoch auf Servern und Festplatten, die wohl kaum Tausende von Jahren überdauern können. Forschende suchen deshalb nach neuen Möglichkeiten der Langzeitspeicherung großer Datenmengen. Besondere Aufmerksamkeit ruht dabei auf einem Speichermedium aus der Natur: der Erbsubstanz DNA.

 

DNA bietet sich dafür an, da sich in ihr große Mengen an Information kompakt speichern lassen. Nur lassen sich die Daten nicht unbedingt fehlerfrei zurückgewinnen: Durch chemischen Zerfall der DNA und Fehler beim Auslesen entstehen Lücken und Fehlinformationen in den kodierten Daten. Forschende um Robert Grass, Dozent am Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften der ETH Zürich, zeigen nun, wie sich eine fehlerfreie Langzeitspeicherung, möglicherweise sogar für mehr als eine Millionen Jahre, erreichen lässt. Zum einen verkapseln sie die informationstragenden DNA-Stücke in Siliziumdioxid (Glas), zum anderen verwenden sie einen Algorithmus, um Fehler in den ausgelesenen Daten zu korrigieren.

 

Bereits vor gut zwei Jahren zeigten Forschende, dass sich Daten in Form von DNA speichern und wieder ablesen lassen. Dabei verstrich zwischen dem «Schreiben» der Information – also der Synthese der entsprechend kodierenden DNA-Sequenz – und dem Auslesen nur wenig Zeit. Schon bei solch kurzen Zeiträumen stellte die Fehleranfälligkeit ein Problem dar, da beim Schreiben und Lesen der DNA Fehler auftreten. Über längere Zeiträume kann sich DNA zudem stark verändern, da sie mit der Umwelt chemisch reagiert. Für die Langzeitspeicherung stellt dies eine Hürde dar. Aus fossilen Knochen lässt sich allerdings mehrere Hunderttausend Jahre altes Erbgut isolieren und analysieren, da dieses darin verkapselt und geschützt vorliegt. «Ähnlich wie in solchen Knochen wollten wir die informationstragende DNA durch eine künstliche Hülle schützen», erklärt Robert Grass.

 

Sein Team bettete DNA hierfür in Siliziumdioxid-Kügelchen von etwa 150 Nanometern Durchmesser ein. Die von den Forschern in die DNA geschriebene Information war der Schweizer Bundesbrief von 1291 sowie «Archimedes‘ Methodenlehre von Mechanischen Sätzen». Um in kurzer Zeit den Verfall des Informationsträgers DNA über lange Zeiträume zu simulieren, lagerten sie diese bis zu einem Monat bei Temperaturen zwischen 60 und 70 Grad Celsius. Solch hohe Temperaturen erlauben, den chemischen Verfall mehrerer Jahrhunderte innerhalb weniger Wochen nachzuvollziehen. Auf diese Weise verglichen die Forschenden die Lagerung der DNA im Silikatmantel mit anderen gängigen Lagerungsmethoden: getrocknet auf Filterpapier und in ein Polymer eingebettet. Dabei stellten sich die Moleküle im Silikatmantel als besonders stabil heraus. Die DNA liess sich mittels einer Fluoridlösung einfach aus dem Material herauslösen, und die Information aus ihr ablesen.

 

Da der Einschluss in Siliziumdioxid ungefähr demjenigen in fossilen Knochen entspricht, konnten die Forschenden auf diese prähistorischen Daten über die Langzeitstabilität von verkapselter DNA zurückgreifen. Daraus errechneten sie ihre Prognose: Bei Lagerung bei tiefen Temperaturen, wie zum Beispiel im weltweiten Saatgut-Tresor auf Spitzbergen bei minus 18 Grad Celsius, könnte die DNA-kodierte Information über eine Million Jahre überdauern. Im Vergleich dazu lassen sich Daten auf Mikrofilm «nur» für schätzungsweise 500 Jahre bewahren.

 

Es reicht jedoch nicht, den Informationsträger über solch lange Zeiträume ohne wesentliche Beschädigung zu lagern, die Daten müssen sich auch fehlerfrei wieder auslesen lassen. Dank riesiger Fortschritte bei Technologien zur DNA-Sequenzierung ist das Ablesen so gespeicherter Daten inzwischen erschwinglich und dürfte in Zukunft noch kostengünstiger werden. Diese Technologien sind jedoch nicht fehlerfrei.

 

Um diesem Problem zu begegnen, entwickelte Reinhard Heckel vom Institut für Kommunikationstechnik der ETH Zürich eine Methode zur Fehlerkorrektur. Diese basiert auf sogenannten Reed-Solomon-Codes, ähnlich denen, die auch bei Datenübertragungen über lange Strecken, zum Beispiel beim Funkverkehr mit Weltraumsonden, zum Einsatz kommen. Der Schlüssel für diese Methode sei zusätzliche Information, die man an die eigentlichen Daten anhänge, erklärt Heckel. «Um eine Parabel zu definieren, braucht es eigentlich nur drei Punkte. Wir fügen quasi noch zwei weitere hinzu, falls einer verloren geht oder sich verschiebt.» Bei den DNA-codierten Daten geht es zwar um einen höheren Komplexitätsgrad, aber vom Prinzip her funktioniert das in der DNA mitverschlüsselte Sicherheits-«Backup» der Forschenden genauso. Selbst bei Lagerung unter widrigen Umständen liess sich dank dieser Fehlerkorrektur die testweise gespeicherte Information, also der Schweizer Bundesbrief und Archimedes‘ Text, fehlerfrei wiederherstellen.

 

Welche Informationen er für Millionen Jahre speichern würde? Von der Unesco als besonders bedeutsam ausgezeichnete Dokumente (Memory of the World), sagt Robert Grass. Und Wikipedia. «Manches ist dort ausführlich beschrieben, anderes weniger ausführlich. Das gibt wahrscheinlich einen guten Überblick, was unsere heutige Gesellschaft weiss und was sie wie stark beschäftigt.»

 

Originalpublikation:

Grass RN, Heckel R, Puddu M, Paunescu D, Stark WJ: Robust Chemical Preservation of Digital Information on DNA in Silica with Error-Correcting Codes. Angewandte Chemie International Edition, 54, 8, 2552,-2555, DOI: 10.1002/anie.201411378.

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.201411378/abstract;jsessionid=7015BBF8D8B66D1E6DBF3749E58FAF3C.f03t02

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