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Redaktion: Heinz Schmitz


Intelligente Navis machen Autos grüner

Elektroauto an Ladestation
Forscher arbeiten daran, die Attraktivität von E-Fahrzeugen zu steigern, indem es die Lebensdauer der Batterien durch intelligente Navigation erhöht. (Quelle: Johannes Wiesinger / pixelio.de)

Eine Million Elektrofahrzeuge sollen laut Bundeskanzlerin Angela Merkel bis 2020 auf deutschen Straßen unterwegs sein. Doch noch haben E-Autos starke Absatzprobleme: Neben den Anschaffungskosten ist es vor allem die geringe Reichweite der Batterie, die potentielle Käufer abschreckt. Ein Forscherteam an der Universität Mannheim arbeitet nun daran, die Attraktivität von E-Fahrzeugen zu steigern, indem es die Lebensdauer der Batterien erhöht. Hierbei stehen nicht technologische Innovationen, sondern der Nutzer im Zentrum. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus BWL, Psychologie und Informatik entwickeln zusammen mit zehn anderen europäischen Partnern im Rahmen des EU- Projekts „ELECTRIFIC“ ein hochkomplexes Navigationssystem. Dieses soll das Nutzerverhalten

optimieren: „Wir geben den Fahrern ein Tool an die Hand, das es ihnen erlaubt, durch perfekte Fahrtrouten und Ladezeitpunkte Reichweite und Lebensdauer ihrer Batterie zu verlängern“, erklärt Sonja Klingert vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik II, Leiterin des Projekts an der Universität Mannheim.

 

„Weiß ich als Fahrer, dass ich am nächsten Tag die Kinder zur Schule fahre und danach zur Arbeit, zur Reinigung und zum Supermarkt muss, habe ich oft bereits einen bestimmten Ablauf im Kopf“, erklärt Sonja Klingert. In solchen Situationen neigen Nutzer dazu die Batterie vor Fahrtbeginn vollständig zu laden und gegebenenfalls auf dem Heimweg „schnell“ nachzuladen. „Beides – voller Ladezustand und schnelles Nachladen – wirkt sich aber langfristig negativ auf die Lebensdauer der Batterie aus“, so Klingert. Genau das soll das „Advanced Driver Assistance System“ (ADAS) – so heißt das Navigationssystem, an dem die Forscherinnen und Forscher der Universität Mannheim arbeiten – vermeiden: Es kennt den Ladezustand der Batterie und die geplante Route – durch manuelle Eingabe oder die Analyse vergangener Fahrten – und schlägt dem Fahrer basierend auf dem so genannten Electric Vehicle Smart Algorithm (ELSA) batteriefreundlichere Ladezeitpunkte und -orte vor.

 

Risikofaktor Elektrizitätsnetz

Damit allein ist es aber nicht getan. „Das System kann noch mehr: Es bezieht aktuelle Informationen aus dem Elektrizitätsnetz und schlägt dem Nutzer eine Route vor, mit der die Fahrer möglichst viel Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzen“, sagt Thomas Schulze vom Lehrstuhl für Softwaretechnik. Das ADAS soll außerdem den Ladeprozess so gut ins Netz integrieren, dass starke Spannungsschwankungen ausbleiben. Das sei für den Ausbau der E-Mobilität ein besonders wichtiger Faktor: „Mit der massiven Verbreitung von Elektrofahrzeugen stehen wir zukünftig nämlich vor einem Problem: Wenn alle gleichzeitig laden, könnte es zu Instabilitäten und Stromausfällen im Elektrizitätsnetz kommen“, so Schulze. Das ADAS passt deswegen die Verteilung der Ladezeitpunkte aller E-Fahrzeuge an die Lastkurve des örtlichen Elektrizitätsnetzes und die Wetterprognosen an.

 

Denn es ist weniger wahrscheinlich, dass viele Fahrer gleichzeitig zum Nachladen fahren, wenn das System die optimalen Stationen auf Basis individueller Faktoren berechnet. Zum Beispiel könnte das ADAS Fahrern empfehlen, ihre Pläne aufgrund der Wetterdaten anzupassen: „Wenn mittags um 14 Uhr am Supermarkt die Sonne scheint, kann es unter Umständen sinnvoller sein, das Nachladen früher als geplant vorzunehmen.“ Das habe mehrere Vorteile: „Der Prozentsatz an Solarenergie an der Ladestation ist dann deutlich höher, das heißt, der Strom, der letztendlich in der Batterie landet, ist umweltfreundlicher. Weil der Einkauf ohnehin eine halbe Stunde dauert, kann die Batterie zudem ganz nebenbei nachgeladen werden“, erklärt Thomas Schulze, der die Projektaufgaben im Bereich der Softwaretechnik leitet.

 

Herausforderung „Big Data“

Die Entwicklung eines solchen Systems ist komplex. Das sei auch einer der Gründe, warum das Forscherteam über Fächergrenzen hinweg arbeite. So spielen psychologische Faktoren eine herausragende Rolle: „Damit der Fahrer die angebotenen Vorschläge annimmt, müssen sie für ihn attraktiv und transparent sein“, erklärt Prof. Dr. Michaela Wänke, Inhaberin des Lehrstuhls für Konsumentenpsychologie und Ökonomische Psychologie. „Wir arbeiten daher gemeinsam mit den Wirtschaftsinformatikern an psychologischen und ökonomischen Anreizmechanismen, um den Fahrer für vorbildliches Verhalten zu belohnen.“ Neben Boni und Preisrabatten an Ladestationen ist auch wichtig, wie und in welcher Reihenfolge der Fahrerin Alternativen präsentiert werden. Nicht zuletzt sind die Daten eine Herausforderung: „Wir haben es mit enormen Datenmengen und höchst sensiblen Daten zu tun“, so Dr. Florian Kutzner, Leiter der psychologischen Arbeitsaufträge im Projekt. Neben Wetterdaten und Batteriekapazität müsse das System auf historische Daten zum Fahrverhalten und Topographie zurückgreifen, um attraktive Vorschläge machen zu können und um den Energieverbrauch pro Fahrt korrekt zu berechnen. Gleichzeitig dürfe aber die Selbstbestimmung der Nutzer über ihre Daten nicht aus dem Blick geraten.

 

Siehe auch:

www.uni-mannheim.de

http://www.horizont2020.de/

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