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Redaktion: Heinz Schmitz


Roboter für Flugzeugteile on demand

Mobiler Roboter ProsihP II
Die ProsihP II-Gesamtanlage zur Bearbeitung eines A320 Seitenleitwerkes. (Quelle: Fraunhofer IFAM)

Im Rahmen von Industrie 4.0 hat die Luftfahrtbranche eine Automatisierungsoffensive gestartet. Weg von der individuell zugeschnittenen Sondermaschine für einen speziellen Prozess, hin zu universell einsetzbaren, mobilen Robotern. In dem Projekt »Prozesssichere hochproduktive Präzisionszerspanung von CFK-Großstrukturen (ProsihP II) « entwickelten deshalb Experten unterschiedlichster Disziplinen die mobile und hochpräzise Bearbeitung von CFK-Großbauteilen durch parallel arbeitende Roboter. Beflügelt von einer ganzen Palette an Innovationen haben sie die ambitionierten Ziele des vom Land Niedersachsen geförderten Projekts erreicht. Vergangene Woche präsentierten Fraunhofer IFAM-Wissenschaftler gemeinsam mit ihren Projektpartnern das intelligente Frässystem im Forschungszentrum CFK Nord in Stade.

 

Die derzeit eingesetzten, kostspieligen, konventionellen Portalmaschinen lassen ein schnelles Einmessen und Bearbeiten nicht zu. Insbesondere bei Bauteilen aus carbonfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) vermag die Prozessüberwachung Bearbeitungsfehler nicht zu verhindern, was immer wieder zu irreparablen Schädigungen des Materials und zu hohen Ausschusskosten führt.

 

Die Projektmitarbeiter von ProsihP II haben sich ihre Entwicklungsziele in den letzten drei Jahren deshalb klar gesteckt:

 

* Eine Basis für ein modulares System aus fahrbaren Robotern, das sich an fast alle Bauteilgeometrien und Bauteilabmessungen anpasst.

 

* Die Möglichkeit der Kombination mehrerer Roboter im gleichzeitigen Einsatz für eine sehr viel schnellere Bearbeitung von CFK-Großbauteilen.

 

* Wandlungsfähigkeit, indem sich mobile robotische Einheiten mit wechselbaren Endeffektoren für eine Vielzahl weiterer Prozesse in der Produktion nutzen lassen.

 

* Die Entwicklung eines hochpräzisen Roboters, welcher durch seine genaue Bahnführung neue Anwendungsfelder erschließt.

 

* Eine kontinuierliche Prozessüberwachung, die den Prozess bei steigendem Fehlerrisiko rechtzeitig wieder zurück in ein sicheres Prozessfenster bringt, bevor ein Schaden entsteht.

 

Um ein hoch flexibles Maschinenkonzept und die gewünschten Freiheitsgrade zur Positionierung von Bearbeitungssystemen am Bauteil zu ermöglichen, wurde eine fahrbare Plattform für Industrieroboter entwickelt. Voraussetzung für gute Bearbeitungsergebnisse ist dabei deren hinreichende statische und dynamische Stabilität. Das Automatisierungs-Team des Fraunhofer IFAM hat in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern ein mobiles Trägerfahrzeug für austauschbare und herstellerunabhängig wählbare Schwerlastroboter konzipiert und gebaut. Die kosteneffiziente, aus marktüblichen Komponenten aufgebaute Bewegungsplattform setzt für die Prozessdurchführung mit drei Stützen statisch bestimmt auf dem Boden auf.

 

Destabilisierende Effekte des Fahrwerks können so vermieden werden. Für einen Ortswechsel fährt die Plattform ihre drei Räder über die Stützen hinaus aus. Der gesamte Aufbau hat damit eine Bewegungsfreiheit bis hin zur Drehung auf der Stelle.

 

Als zweite Systemkomponente lassen sich Industrieroboter mit bis zu drei Tonnen Gewicht auf die universelle Anschlussplatte der fahrbaren Plattform montieren. Für das Projekt waren die Anforderungen an die absolute Positionier- und Bahngenauigkeit des Gesamtsystems aus Roboter und Bearbeitungsplattform so hoch, dass es notwendig war die Leistungsfähigkeit des gewählten Roboters entscheidend zu steigern. Dazu wurde die Roboterkinematik mit einer CNC-Steuerung (Siemens SINUMERIK 840D sl) ausgestattet, kompatible Motoren eingebaut und abtriebsseitige Winkelmesssysteme an jeder Achse zur Korrektur von Positionsabweichungen ergänzt. Zudem ermittelt ein weiterentwickeltes Kamerasystem die aktuelle Pose des Roboters für eine Echtzeitkorrektur durch Abgleich mit den Soll- Daten. Durch die gemeinsame Entwicklung ist einer der genauesten Bearbeitungsroboter weltweit entstanden. Das Fraunhofer IFAM arbeitete für diesen Fortschritt im Bereich Robotik eng mit PD Dr.-Ing. Jörg Wollnack von der TU Hamburg zusammen.

 

Sowohl die Vorgehensweise als auch die verwendeten Technologiebausteine haben den Vorteil, dass sie sich auf jede Roboterkinematik anwenden lassen. Damit wurde ein wesentlicher Schritt hin zu einem Standard für absolutgenaue Roboter in der Flugzeugproduktion vollzogen.

 

Nach der Entwicklungsphase wurde die selbsttätige Anpassung mobiler, robotergestützter Fräsprozesse an differierenden Bauteilgeometrien und -positionen bei einer sieben mal zwei Meter großen CFK- Seitenleitwerksschale des Airbus A320 erfolgreich getestet. Das System ist aber auch für deutlich größere Bauteile mit Längen von bis zu 30 Metern ausgelegt. Damit ist es für unterschiedliche Flugzeug-Primärstrukturen wie Flügelschalen oder Rumpfsegmente anwendbar. Darüber hinaus kann der mobile Bearbeitungsroboter mit geringen Modifikationen für z. B. Rotorblätter von Windkraftanlagen, Strukturen von Schienenfahrzeugen oder Großbauteile im Schiffsbau zum Einsatz kommen.

 

Siehe auch:

http://www.ifam.fraunhofer.de/

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